Montag, 14. Oktober 2019

Jessica Khoury: Die Einzige - in deinen Augen die Unsterblichkeit (Arena 2013)

Text-Inhalt: Pia ist Perfekt. Das hört sie schon seit Jahren. Sie kann ungewöhnlich schnell laufen, hat eine unverletzliche Haut und ein unglaubliches Gedächtnis. Das alles, weil sie das Ergebnis vieler wissenschaftlicher Versuche mit Menschen ist: Pia ist unsterblich. Abgeschottet vom Rest der Welt lebt sie mit einem Haufen Forscher in einem Camp im Regenwald. Sie lernt alles von Vererbung bis Algorythmen und Kombinatorik, was sie  zu einer guten Wissenschaftlerin machen soll. Und das ist ihr Ziel. Sie will eine perfekte Wissenschaftlerin werden um ins Immortis-Team aufgenommen zu werden. Dieses beschäftigt sich mit der Erschaffung von unsterblichen Menschen - so wie Pia eine ist. Eine Zukunftsdystopie für Leute, die Spaß an ähnlichen Geschichten haben. (NN)

Teresa Toten: Der ungewöhnliche Held aus Zimmer 13B (cbt 2014)

Text-Inhalt: Eine ungewöhnliche Truppe von Helden ist es, die sich jeden Montag in Zimmer 13 B (wohl gemerkt, es gibt keinen 13. Stock und kein Zimmer 13A) zur Gruppensitzung trifft. Da wäre Thor, der immer schweigt und höchstens mal bedrohliche Blicke um sich wirft, Wolverine, der immer viel erzählt, Snookie, die augenscheinlich viel Wert auf ihr Äußeres legt und natürlich Robyn. Als Adam Robyn sieht, weiß er, dass sie das Mädchen ist, mit dem er zusammen sein möchte. Für sie würde er alles tun und wegen ihr ist er umso entschlossener, seine Zwangsstörung zu besiegen. Denn die ist der Grund, weshalb all diese Jugendlichen mit den Heldennamen sich ein mal die Woche versammeln.Ein interessantes Buch, das es sich lohnt zu lesen. (NN)

Lauren Sams: Deins Meins oder keins? (INK Egmont 2016)

Ich denke nicht, dass diese Geschichte für Jugendliche unter 15 Jahren zu verstehen ist. Das Schlüsselwort ist „Leihmutterschaft“. Das ist eines der Tabuthemen bei uns im Lande. Nicht aber woanders. Was sollen Ehepartner machen, die kinderlos bleiben? Und eine Freundin haben, die das Kind einfach nur für sie austragen will, weil sie selber auf keinen Fall Kinder haben will? Denn die Karriere ist ihr wichtiger, ein Leben ohne Kinder ist ja auch in der Tat eine echte Alternative. Diese Fragen werden zunächst ernsthaft, nachvollziehbar und hart diskutiert.
Ich war dann aber doch ein wenig enttäuscht, als sich alles in einen ganz normalen Schicksals-und Liebesroman auflöste. Es gibt Eifersucht, Zwietracht, Unverständnis einander gegenüber. Zwar vertragen sich am Ende alle wieder, aber es bleibt doch so ein Gefühl von „Schade, hätte man mehrdraus machen können“ zurück. Auch die sprachlichen „Abenteuer“ bleiben im zweiten Teil des Buches durchaus im Rahmen des Erwartbaren. So denke ich,  eine weitere Sommer-Sonne-Strandgeschichte – schnell wegzulesen. Nett, aber ohne längere nachhaltige Wirkung. Wie gesagt ab 15 oder 16 (UP13)

Erna Sassen: Dies hier ist kein Tagebuch (Verlag Freies Geistesleben Urachhaus 2015)

Es ist eine Abrechnung mit einem harten Schicksal, die der 15jährige Bou vornimmt. Wie soll man dem Leben offen entgegentreten, wenn die eigene Mutter sich umgebracht hat und die Angst einen auffrisst? Man nichts mehr hinkriegt, der Vater einen nicht zu verstehen scheint und nur Forderungen hat und die Tante zwar nett, aber nur manchmal da ist und nur die kleine Schwester Trost bietet? Dann gibt es zwar auch noch Pauline, aber das mit ihr ist schief gegangen. Man versteht Bou. Man wünscht ihm, aus diesem Loch herauszufinden. Wie er es denn am Ende schafft, ist dennoch überraschend.
Nicht nur das, sondern auch die großartig gezeichneten anderen Personen im Buch, Vater, Tante, Schwester, Pauline – rührt das Herz an. Manches wird nicht wieder gut, manches bleibt immer schrecklich. Aber was man schaffen kann ist, weiter zu leben und wieder zu lachen und Gefühle zu empfinden. Ein Mutmachbuch. Finde ich. Lesbar ab 14. (UP 13)

Marian de Smet: French Summer (Gerstenberg 2016)

Alles hört sich zunächst an wie ein Road Movie – eine Neuauflage von Tschick oder ein moderner Taugenichts. Man fragt sich, was wird das werden, eine Liebesgeschichte, ein Ferienabenteuer, eine Drogengeschichte? Dann wird aber schnell klar, dass es sich bei den Protagonisten Tabby und Eppo um zwei junge Leute handelt, die jeweils vor etwas davon laufen. Lange ahnt man nicht, was das sein könnte - die gemeinsame Sorge um das Weiterkommen, das unmerklich immer mehr zur Furcht wird, steht im Vordergrund: Die Unterschiedlichkeit, die Erkenntnis, im Alltag aufeinander angewiesen zu sein. Bis dann am Ende eine Wendung eintritt.
Mir hat gefallen, wie sich die beiden immer wieder zusammenraufen mit all ihrer Verletzlichkeit, die von Anfang an zu spüren ist. Es wird nicht ohne Witz, aber schnörkellos erzählt. Und als man dann am Ende wirklich die ganz große Themen des Lebens behandelt weiß, ist man als Leser zufrieden, dies Buch gelesen zu haben. Das liegt zum Teil sicher auch an der Übersetzung aus dem Niederländischen. Zu empfehlen ab 14 (UP13)

Traber/Schulze: Kunst Geschichten (Hanser 2015)

Ein Buch über Kunst. Das Geniale ist: es lehrt einen sehen. Nicht nur die ansprechende Aufmachung freut den Leser und Betrachter. Auch die Unterschiedlichkeit der ausgewählten Werke macht es spannend sich mit dem Buch zu befassen. Ich habe es mittlerweile 3x gelesen. Durch die präsentierten Werke wird man in verschiedene Jahre zwischen 1780 und 1920 versetzt. Mit den Geschichten betritt man das Bild und das Jahr seiner Entstehung. Der Leser gerät in einen Dialog mit den Bildern.
Von Anfang an wirkt das Buch wie ein Gang durch ein Museum. Die Buchdeckelinnenseiten machen bereits neugierig auf die Bilder. Dadurch, dass zu jedem Bild auch stark vergrößerte Details geboten werden, ist das Betrachten der Bilder ein echter Gewinn, denn man kann die Art des Malens genau sehen und miteinander vergleichen.
Die absolute Stärke des Buches ist aber die Verbindung zwischen Bild und Geschichte. Die Texte sind aus einer sehr persönlichen, zu der jeweiligen Zeit passenden Perspektive geschrieben und führen einen mitten in die dargestellte Situation hinein. Man kann sich in die Lage der Menschen versetzen, bekommt etwas von ihrem Leben mit und dadurch werden die Bilder lebendig. Als ob man mit einer Taschenlampe kurz in eine dunkel Höhle leuchtet. Denn an vielen Bildern – seien wir ehrlich – würden wir kommentarlos in einem Museum vorbeigehen. So aber bekommen die Bilder eine unverwechselbare „Farbe“ - und bleiben in Erinnerung und stehen für weitere, eigene Spaziergänge in andere Bilder als Vergleich zur Verfügung.
Ich möchte den Buchmachern dieses Buches zu ihrer genialen Idee gratulieren! Und werde dieses Buch nicht nur weiterempfehlen, sondern auch verschenken. Ab 10. (UP13)

Matthew Quick: Goobye Bellmont (dtv 2015)

Nichts in Bellmont ist lieblich oder anziehend. Ein Vorort voller heruntergekommener Häuser, vertrockneter Parks und  zugemüllter Straßen, in denen die Menschen versuchen trotz Arbeitslosigkeit und Mafia ein einigermaßen normales Leben zu führen. Die meisten haben Glauben und Hoffnung verloren und kämpfen sich durch den Alltag. So geht es auch der Familie von Finley, seiner Freundin Erin und seinem Freund Ross. Bellmont ist ein Viertel, in dem vorwiegend Schwarze wohnen, Finley und Erin gehören zu der irischstämmigen Minderheit dieses Stadtteils. Es verwundert nicht, dass Sport, hier Basketball, die Größte Rolle im Leben der Jugendlichen und ihrer Familien spielt., Hier können sie ihre Hoffnungen ausleben, sich beweisen, mitfiebern, Emotionen entwickeln und Einsatz zeigen. Die Basketballsaison ist sogar so wichtig, dass sogar Freundschaften dafür auf Eis gelegt werden. Lange erfährt der Leser nicht, was zu diesem hohen Stellenwert der Basketballsaison geführt hat und warum das Wort des Coach ehernes Gesetz ist.
Das Buch liest sich leicht, die Sprache ist einfach und klar. Es gibt viele Dialoge, wenig Beschreibungen. Von Anfang an ist eine gewisse Grundspannung da, ich als Leser ahnte schon, dass es um tieferliegende Geheimnisse geht. Aber ich war durch sich ständig wiederholenden Alltagssituationen ein wenig ungehalten, es hat sich mir nicht erschlossen, warum alles so kleinschrittig erzählt werden musste. Und der Grundkonflikt wurde mir am Ende auch nicht wirklich klar, sondern erschien mir belanglos. Die Figur des Finley ist in sich logisch herausgearbeitet. Was aussieht wie ein sozialer Konflikt oder ein sportliches Jugendprogramm erweist sich am Ende als ein Mafiakonflikt. Darüber wurde im Verlauf der Geschichte soviel geredet, dass das Ende dann auch keine Überraschung mehr ist. Obwohl mafiotische Abhängigkeiten und Zeugenschutzprogramme sicher in vielen Stadtteilen der Welt einen große Rolle spielen, fand ich das Buch dennoch irgendwie absurd, besonders in dem, was einem ca. 16jährigen Jugendlichen an unbedingtem Gehorsam abverlangt wird. Aber vielleicht liegt gerade in dem Widerspruch, der beim Leser hervorgerufen wird, das Ziel dieses Buches. (Ab 12) (UP13)

Patricia McCormick: Der Tiger in meinem Herzen (KJB 2015)

Was wird aus Kindern, die etwas Furchtbares und Schreckliches in ihrem Leben erlebt haben? Etwas so schreckliches, dass man sich es gar nicht vorstellen kann? Das erfährt man, wenn man die Geschichte von Arn liest. Er wird groß in einem aus heutiger Sicht lange zurückliegenden und hier vielleicht wenig bekannten Konflikt: der Leser wird in das Kambodscha der 70er Jahre entführt, in den Konflikt zwischen den regierungstreuen Truppen und den aufständischen und kommunistisch regierten Roten Khmer. Der Konflikt wird durch die Vietnamesen und durch das Eingreifen Amerikas beendet. Vielen Kindern kann am Ende geholfen werden, entweder im Lande selbst oder indem sie in einem anderen Land eine neue Chance bekommen. Aber das Schreckliche und Unaussprechliche, das sie erlebt haben, nehmen sie mit und es wütet in ihnen weiter.
Ich finde es wichtig solche Bücher zu schreiben, weil es heute noch genau solche brutalen Kriege gibt unter denen nach wie vor Kinder leiden. Die räumliche und zeitliche Distanz zu heute macht es möglich, als Leser nah an das Geschehen heranzutreten und die Vorgänge auf sich wirken zu lassen. Arns Weg zeigt uns die unausweichliche Spirale der Gewalt und der Abstumpfung gegenüber dem Leid der anderen. Er zeigt aber auch, dass letztlich nur die Mitmenschlichkeit siegen kann und Veränderungen hervorruft.
An manchen Stellen ist es mir schwer gefallen, das Buch zu lesen. Kaum vorstellbar sind die menschenverachtenden Handlungen der Erwachsenen gegenüber den Kindern und auch der Kinder untereinander. Immer geht es um das nackte Überleben. Wenn man sich das nicht jederzeit vor Augen hält, lässt sich die Brutalität dieses Buches nicht verstehen und ertragen.  Unterstrichen wird diese Brutalität durch den knappen sachlichen Erzählstil, der kaum Raum für  Gedanken und Schilderungen lässt.  So wie auch der harte Überlebenskampf keinen Raum für Beobachtungen und Gefühle lässt. Dadurch wirkt das Buch fesselnd und lässt den Leser lange nicht los, wenn man es am Ende zugeschlagen hat. 
Lesbar ab 13 Jahre (UP13)

Bov Bjerg: Auerhaus (Blumenbar 2015)

Über dieses Buch hatte ich schon viel gehört, das Blog von Bjerg kenne ich und ich habe ihn in einer Lesung gesehen. Ich war gespannt. Das Buch liest sich gut und schnell, am Ende ermüdete mich der Stil ein wenig (so eine Art pars pro toto Stil) – aber ich wollte unbedingt wissen, wie diese Gruppe von jungen Leuten ihr Leben meistern. Die Geschichte ist eine lange Momentaufnahme der Zeit vor dem Abitur zu einer Zeit, in der es noch ungewöhnlich war, dass auf dem Lande WGs gebildet wurden. Das war auch nur möglich, weil einer der Protagonisten suizidgefährdet schien, und weil die Eltern dem Experiment „Zusammenwohnen“ offen gegenüberstanden und weil man sich eben im Dorf kennt. Alle erzählten Erlebnisse sind so oder ähnlich nachvollziehbar wenn man jung und auf dem Lande und im Aufbrauch zum eigenen Leben ist. Von daher unbedingt lesenswert.
Sicher ist das Erzählte aber vor allem nachvolllziehbar für Leser, die in den 70ern bis 80ern jung waren. Vieles erinnerte mich an andere Bücher, in denen Jugendliche zu sich finden, Schüler Gerber,  Tschick, Wo ein bisschen Zeit ist usw. Zudem ist das Thema Suizid in den letzten Jahren vielfach in Jugendbüchern verarbeitet worden (Allein unter Schildkröten z.B.). Auch Aussenseiter und Drogen sind nicht neu. Mich hat das Ende der Geschichte verblüfft, denn es gibt zwei Versionen, Märchen und Nicht-Märchen. Und damit stimmte mich das Buch ratlos und traurig am Ende und ich fragte mich, was die Botschaft der Geschichte sein soll.

Schlüsselwörter: Stadt, Landleben, Suizid, Rebellion, Jugend, Abitur

Saphia Azzedine: Mein Vater ist Putzfrau (Wagenbach 2015)

Ich weiß nicht recht, was man zu diesem Buch sagen soll. Der Titel weckt auf jeden Fall Interesse, das Cover auch. Die Geschichte ist an sich interessant: Ein Junge wächst in ziemlich bescheidenen Verhältnissen auf und entdeckt das Lesen als Ausweg au s einfach allem. Das ist das, was sehr gut beschrieben ist und auch nachvollziehbar ist. Die Liebe der Eltern zu dem Kind, besonders des Vaters zu dem Kind, ist ebenfalls sehr anrührend. Demzufolge ist das nicht ganz realitätsbezogene Verhalten des Jungen verständlich.
Was mir nicht gefallen hat, ist die Mischung aus sensibel erzähltem Innenleben eines ca. 16jährigen Jungen und der Vulgarität des Ausdrucks. Das hat mich fast schockiert, ich mag sowas nicht so gerne lesen. Ich weiß auch nicht, ob dies Buch, das sicher im Reigen der jungen französischen Literatur seine n berechtigten Platz, nun  als Jugendbuch durchgehen kann. Was sollte der Sinn sein in der direkten, detaillierten aber vulgär beschriebenen Beschreibung der erotischen Fantasien eines 16jährigen? Außerdem ist dann der Schluss verwirrend, denn es liegen offenbar Jahre zwischen dem Ende und der Geschichte – der Junge ist jetzt selbst Vater und alles geht von vorne los. Empfehlung: ab 16 Jahren (UP13)

Schlüsselwörter: Frankreich, Abitur

Jessica Alcott: Selbst wenn du mich belügst (cbt 2015)

Das Thema des Buches ist neu. Eine Schülerin verliebt sich einen Lehrer und umgekehrt. Das ist spannend. Die Geschichte dreht sich um das allmähliche Begreifen und um das Ausloten dessen, was möglich ist und was nicht.
Dennoch fand ich das Buch nicht so spannend. Es ist alles ziemlich in die Länge gezogen, viele ähnliche kleine alltägliche Situationen werden hintereinander gereiht. Der Hauptperson wird eine beste Freundin gegenübergestellt, die eigentlich viel mehr die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zieht als die Hauptperson. Vieles bleibt unerklärt und offen, von einzelnen Begriffen, die nicht erklärt werden und aus dem Leben amerikanischer highschoolbesucher stammen bis hin zu Situationen, die nicht aufgelöst werden. Am meisten hat mich gestört, dass ich mir während des ganzen Buches kein Bild von der Hauptperson machen konnte. Charlie blieb für mich gestaltlos. Am Schluss, nur wenige Wochen nach dem Ende der ganzen Geschichte zieht sie die Schlussfolgerung (im nebensatz), dass sie sich wohl getäuscht hat. In was? In wem? In sich selbst? Und so bleibt diese an sich interessante Geschichte ein wenig belanglos und am Ende klischeehaft. (UP13)

Schlüsselwörter: Highschool, Verliebtsein

Sandra Weihs: Das grenzenlose Und (Frankfurter Verlagsanstalt 2015)

In diesem Buch wird sehr offen über die innere Welt einer jungen Person erzählt, die mit dem Attribut „Borderline“ versehen wird. In allen Einzelheiten wird sehr überzeugend der Blick der 18jährigen Marie auf sich selbst, ihre Fähigkeiten und vor allem vermeintlichen Unfähigkeiten geschildert. Der schmale Grad zwischen hohem Selbstanspruch und dem daraus folgenden ständigen Gefühl der Enttäuschung ist gut nachvollziehbar. Marie will nicht mehr leben. Und wird dann konfrontiert mit einem unheilbar Kranken – mich hat dieses Buch gefesselt. Wer sich jemals mit diesem Thema befasst hat oder sich auch nur ansatzweise mit derartigen Gedankengängen befassen musste wird hier vielleicht eine gute Richtlinie zur Einschätzung und auch zu den Chancen ähnlicher innerer Vorgänge finden. Gleichzeitig denkt man während der Lektüre über das Thema der aktiven Sterbehilfe nach … Ein Buch, das Mut macht, sich dem Inneren zu stellen und die Hoffnung niemals aufzugeben.
Wegen der Ernsthaftigkeit und Härte der inneren Auseinandersetzung würde ich das Buch keinem unter 14 Jahren empfehlen. (UP13)

Schlüsselwörter: Borderline, Suizid, Sterbehilfe, Gehirntumor

Adele Griffin: Addison Stone (cbt 2015)

Die Geschichte um die junge Künstlerin Addison Stone ist auf jeden Fall faszinierend und spannend zu lesen. Es ist die Innensicht einer multiplen Persönlichkeit. Daneben erfährt man einiges über den Kunstbetrieb, den Vor- und Nachteil von modernem Mäzenentum, das sich in der Arbeit von Galeristen darstellt. Und es wird deutlich, wie sich ein Leben in New Und es wird deutlich, was das Leben junger Künstlerin New York ausmacht, das zwischen intensiver Arbeit, nicht enden wollender Ideen und Drogen stattfindet. Ich nehme an, junge Künstler in anderen Großstädten leben ähnlich. Eine schmale Gratwanderung. Erstaunlich ist, dass man ein ziemlich genaues Bild von Addisons Persönlichkeitsstruktur bekommt, obwohl sie selten selbst zu Wort kommt, sondern eigentlich nur durch Interviews von Leuten charakterisiert wird, die sie umgeben. Über den Inhalt möchte ich aber nun nicht weiter sprechen, damit der Reiz des Buches für den Leser erhalten bleibt.
Mich hat das Buch von Anfang an gefesselt. Vor allem auch, weil es zeitgemäß aufgemacht ist. An manchen Stellen wirkt es eher wie eine Boulevard-Zeitung, viele Fotos geben ein Bild der jungen Frau wieder, die sehr lebensvoll, interessiert, aber auch sprunghaft die verrücktesten Aktionen macht, die dann per Video festgehalten wurden. Also alles sehr modern und lebensnah. Youtube Kunst. . Auf den Bildern sind auch Addisons Freunde zu sehen, so dass man sich alles genau vorstellen kann. Das Schönste sind aber Porträtbilder in Tusche und Öl, die Addison gemalt hat, die meisten sind sehr schön und anrührend. Ich würde dieses Buch ab 14 Jahren empfhelen. (UP13)

Schlüsselwörter: Kunst, New York, Schizophrenie

Susin Nielsen: Glücklich für Anfänger (cbt 2015)

Die Geschichte dieses Buches dreht sich um eine Patchworkfamilie. Und zwar ist der Zeitpunkt in den Blick genommen, als die Familie zusammenzieht. Dass so ein Wendepunkt im Leben aller Beteiligten nicht einfach ist, kann man sich vorstellen. Um das darzustellen, werden in diesem Buch die verschiedenen Probleme, die Jugendlichen das Leben schwer machen können, nahezu auf die Spitze getrieben. Neben der üblichen amerikanischen Highschool-Problematik (Sportversessenheit, Dresscodes, Hierarchien und Hackordnungen usw.) komemn die Themen Hochbegabung, Nerds, Tod eines Elternteils, Arm und Reich, Facebook-Party, Schutztrupps, Homosexualität hinzu. Das macht die Geschichte natürlich spannend. Gleichzeitig stellt sich mir aber die Frage, ob es soviel Thematik auf einmal gibt … also die Häufung wirkt leider auch etwas unrealistisch.
Der Stil des Buches ist leicht und witzig. Auch die Übersetzung ist flüssig und man eckt an keiner Stelle an. Die Personen sind zwar speziell, aber nachvollziehbar und im Grunde sympathisch gezeichnet und machen eine echte und überraschende Entwicklung durch. Insofern gibt das Buch Hoffnung für scheinbar ausweglos erscheinende Schulsituationen. Ich empfehle das Buch ab 12 Jahren. (UP13)

Christian Frascella: Bet empört sich (Frankfurter Verlagsanstalt 2015)

Die 17jährige Bet hat es nicht leicht. Zuviel Ungereimtheiten fallen ihr in ihrer Umgebung auf, die sie nicht mehr bedienen möchte. Familie, Schule, das angepasste Mädchenverhalten der Mädchen in ihrer Klasse, deren Konzentration auf Schönheit und Kosmetik, Ungerechtigkeiten gegen Frauen in der Arbeitswelt, nicht eingelöste Versprechen der Politiker usw. Außerdem gibt sie sich die Schuld am Tod ihrer Schwester. Daher ist Bet ein ziemliches Biest, die es nicht eine Sekunde schafft jemandem gegenüber freundlich zu sein. Erste Versuche mit einem zugänglicheren Verhalten startet sie mit einer jungen schwangeren Frau, Viola, und einem Gewerkschaftsangehörigen, Andrea.
Auf jeden Fall lernt man in diesem Buch etwas über Italien und die Wut junger Menschen, mit denen das Schicksal es nicht so gut gemeint hat. Gleichzeitig ist das aber auch ein Probelm des Buches, finde ich. Wenn man nämlich gar nicht weiß, wie Italienerinnen sich benehmen oder welches Schulsystem dort herrscht, welche Rolle die Gewerkschaften spielen oder wie dreist Politiker lügen, um gewählt zu werden, dann findet man das Buch verwirrend. Richtig gestört hat mich die eigenartige Art mit wörtlicher Rede umzugehen, von der es genug gibt in dem Buch. Z.B. S. 85. Es wird einfach niemals klar, wann die wörtliche Rede aufhört und der beschreibende Text wieder einsetzt, dadurch musste ich die meisetn Sätze doppelt lesen und das hat mich geärgert. Außerdem ist eben grad auch auf S. 85 ein krasser grammatischer Fehler (Übersetzungsproblem), an anderen Stellen sind Schreibfehler. Gut, das gibt es in jedem Buch, aber mich habe die Kleinigkeiten zusammen gestört.
Das Ende des Buches ist offen. So denkt man über den Sinn und das Ziel der Geschichte nach. Andererseits bleibt die gesamte vielschichtige Problematik dadurch ziemlich unbestimmt. Mich hat das Buch eher ratlos zurückgelassen. Zu lesen eher ab 14, da teilweise ziemlich abstrakt. (UP13)

Schlüsselwörter: Italien, Gewerkschaft, Schwangerschaft, Unfall, Schule, Außenseiter

S.A.Bodeen: Nichts als Überleben (Gulliver 2015)

Robie verbringt Zeit bei ihrer Tante. Als diese jedoch früher zu ihrem Job zurück muss, beschließt Robie ebenfalls, auf die Insel Midway zurück zu kehren, wo ihre Eltern als Biologen arbeiten. Doch das Flugzeug stürzt über dem Meer ab und nur Robie und der Co-Pilot Max überleben. Max geht es mit der Zeit schlechter und auf dem Meer gibt es keine Rettung für ihn. Robie beginnt verrückt zu werden und als sie auf einer einsamen Insel strandet, wird sie selbst ihr größer Feind. Kein Essen, kein Trinken und ein Hai in der Bucht, der alles frisst, was ins Wasser kommt. Robie verzweifelt mehr und mehr und der Wille zu überleben verschwindet jeden Tag mehr …
Ich fand das Buch gut. Der Anfang war etwas unspektakulär, aber als es dann los ging, hat das Buch einen gefesselt. Zusammen mit Robie versuchte man einen Ausweg zu finden, auch wenn es kritische Situationen gab. Man bekommt die Tragik zu spüren und fühlt wirklich mit, wie Menschen ins Notsituationen sich fühlen. Ich finde das Buch gut gelungen und abwechslungsreich. Die Spannung lässt einen nicht los. Empfehlenswert.  (AM10)

Jaromir Konecny: Herz Slam (Ravensburger 2015)

Der Autor ist selbst ein bekannter Poetry Slammer. Er weiß also, wie man's macht. Demzufolge lässt sich in diesem Buch auch viel lernen über Schreiben und Präsentieren. Aber das eigentliche Thema ist das, worüber man schreibt, Gefühle, Schüchternheit, Mutlosigkeit, Ziellosigkeit, Ideen, die kleinen Dissonanzen des Alltags oder auch die vielen schnell zu übersehenden Schönheiten des Lebens. Eben all das, was Menschen antreibt, auf die Bühne zu treten und ihr Innerstes wortgewandt und kreativ preiszugeben. Vor allem gehört dazu Mut und eine große Portion Selbstüberwindung.  Denn das Publikum ist erbarmungslos.
Ein besonderer Reiz des Buches liegt in dem Aufeinandertreffen mindestens zweier Welten: Gymnasiasten treffen Hauptschüler, Deutsche treffen auf Menschen mit ausländischen Wurzeln. Die Vorurteile und sprachlichen Angewohnheiten halten sich hartnäckig. Dann aber beginnt eine ehrliche Auseinandersetzung im Verlaufe eines vom Bildungsministerium ausgerichteten Workshops – und am Ende handelt es sich um eine Gruppe von Individuen, deren Probleme absolut vergleichbar sind, Herkunft und Bildung egal. Von daher ist dies Buch ein Mut machendes Buch.
Was mich nicht überzeugt hat, ist des Stil des Erzählens. Ich glaube der Autor ist ein wunderbarer Kurztextschreiber (am Ende des Buches sind Erzählungen angehängt) – aber die Beschreibung des tatsächlich Ablaufenden ist mir zu hölzern, ich kann mir die Personen und Ereignisse vorstellen, weil ich solche Menschen und Situationen gut kenne, aber allein aus dem Buch bleibt mir vieles zu knapp, zu klischeehaft formuliert. Dennoch: lesenswert ab 12 Jahren. (UP13)

Astrid Lindgren und Sara Schwardt: Deine Briefe lege ich unter die Matratze (Oetinger 2015)

Die Bewunderer von Astrid Lindgren werden sich freuen: In diesem Briefwechsel lernt man die Autorin als wunderbare Psychologin  und aufmerksame Freundin kennen. Der Briefwechsel beginnt, als die junge Sara 13 Jahre alt ist und Astrid Lindgren bereits mehrfache Großmutter. Ein junges Mädchen im Überschwang der Gefühle wendet sich an die berühmte Autorin, um Rat und Hilfe zu erhalten. Daraus entsteht dieser mitreißende Briefwechsel über mehr als 20 Jahre. Nicht nur bekommt man einen Einblick in die verwirrte Seele eines 13jährigen Mädchens, das es weiß Gott nicht leicht hat im Leben,  sondern die Reaktionen der betagten Autorin zeigen gleichzeitig auch beispielhaft Verhaltensmuster, wie Erwachsene mit derartigen Gefühlsausbrüchen sinnbringend umgehen könnten. Es gibt größere Pausen im Briefwechsel der beiden. Dadurch steigt aber die Spannung, denn man will unbedingt wissen, wie es den beiden zwischendrin ergangen ist. Ein Buch, das sich unbedingt zu lesen lohnt ab 13 Jahren. (UP13)

Schlüsselwörter: Astrid Lindgren, Freundschaft

Klaus Kordon: Joss oder der Preis der Freiheit (Beltz 2014)

Die Geschichte um den jungen Joss ist in die Zeit der napoleonischen Kriege verlegt. Leipzig, Völkerschlacht, 1813. Die Auseinandersetzung mit den Themen Krieg, Vaterland, Heimat, Vorbilder, Abenteuer, Suche nach der eigenen Identität könnte junge Männer jedoch genauso heute umtreiben.
Mir hat an dem Buch gefallen, dass die Gefühle und Gedanken des jungen Joss sehr genau und gut nachvollziehbar beschrieben werden. Mir hat gefallen, dass es immer Leute gab, die es gut mit Joss meinen und solche, von denen man nicht genau weiß, was sie im Schilde führen. Das gibt dem Buch eine ständige Spannung. Ich als Leser habe einfach immer gehofft, dass Joss „durchkommt“ und die richtigen Entscheidungen fällt. Das tat ich um so mehr, als andere Personen, denen man Sympathien entgegen gebracht hat, eben nicht am Leben bleiben. Gefallen hat mir auch, dass Joss Fehler macht, diese aber einsieht und etwa daraus lernt. Als er dann nach Hause zurückgekehrt ist, habe ich verstanden, dass die Handlung eigentlich eine moderne Version des „Verlorenen Sohnes“ ist.
Lesenswert ab 15 Jahren (UP13)

Schlüsselwörter: Napoleon, Krieg, Leipzig, Völkerschlacht, Geschichte

David Arnold: Herzdenker (Arena 2018)

Der Roman „Herzdenker“ von David Arnold erschien 2018 im Arena Verlag. Das Buch handelt von einem Teenager namens Bruno Victor Benucci III, kurz Vic genannt, mit Möbius - Syndrom. Das heißt, sein Gesicht ist gelähmt und er kann weder lächeln, noch die Augen richtig schließen. Sein Vater ist an Krebs gestorben. Als seine Mutter allerdings dann wieder neu heiraten möchte, läuft er mit der Urne seines Vaters weg. Er findet darin einen Abschiedsbrief, in dem sein Vater die Bitte niederschrieb, ihn an besonderen Orten zu verstreuen. Vic trifft auf eine Gruppe obdachloser Jugendlicher, die er schon lange bewundert hat. Sie bieten ihm ihre Hilfe an und er verliebt sich dabei in Mad, ein Mitglied dieser Gruppe. Aber während sie mit vielen Hindernissen gemeinsam die Asche seines Vaters an den gewünschten Orten verstreuen, gibt es plötzlich Komplikationen mit Mad, welche sie alle in eine brenzlige Lage bringt.

Dieses Buch thematisiert in geschickter Weise den Kampf gegen Vorurteile und zugleich die Liebe. Denn Vics Liebe zu seinen Eltern und seinen Freunden und die seiner Freunde und seiner Eltern zu ihm ist unerschütterlich. Gemeinsam kämpfen sie gegen alle Vorurteile an. Dies sind Themen, die nie an Aktualität verlieren und daher ist ihre Verbindung umso ergreifender. Der Autor schafft dies in einer zum Teil sehr jugendlichen Sprache, die immer den jeweiligen Personen gut angepasst ist. Seine Ausdrucksweise ist sehr klar und verständlich. David Arnold lässt einige Wortgruppen wie einen roten Faden durch den ganzen Roman fließen, wie zum Beispiel: „Ich bin ein Spitzenrennpferd!“ (Seite 246). Trotz der anfangs verwirrenden Personeneinführung ist auch der Aufbau, welcher immer wieder in die Vergangenheit blickt, gut verständlich. Allerdings ist das Personenverzeichnis am Anfang des Buches fehl am Platz, da man die Beschreibungen erst nach der Lektüre versteht.

Insgesamt ist es ein ergreifendes und tiefgründiges Buch, welches ich Romantikern und "Herzdenkern" weiter empfehlen würde. (AG 12)