Montag, 14. Oktober 2019

Patricia McCormick: Der Tiger in meinem Herzen (KJB 2015)

Was wird aus Kindern, die etwas Furchtbares und Schreckliches in ihrem Leben erlebt haben? Etwas so schreckliches, dass man sich es gar nicht vorstellen kann? Das erfährt man, wenn man die Geschichte von Arn liest. Er wird groß in einem aus heutiger Sicht lange zurückliegenden und hier vielleicht wenig bekannten Konflikt: der Leser wird in das Kambodscha der 70er Jahre entführt, in den Konflikt zwischen den regierungstreuen Truppen und den aufständischen und kommunistisch regierten Roten Khmer. Der Konflikt wird durch die Vietnamesen und durch das Eingreifen Amerikas beendet. Vielen Kindern kann am Ende geholfen werden, entweder im Lande selbst oder indem sie in einem anderen Land eine neue Chance bekommen. Aber das Schreckliche und Unaussprechliche, das sie erlebt haben, nehmen sie mit und es wütet in ihnen weiter.
Ich finde es wichtig solche Bücher zu schreiben, weil es heute noch genau solche brutalen Kriege gibt unter denen nach wie vor Kinder leiden. Die räumliche und zeitliche Distanz zu heute macht es möglich, als Leser nah an das Geschehen heranzutreten und die Vorgänge auf sich wirken zu lassen. Arns Weg zeigt uns die unausweichliche Spirale der Gewalt und der Abstumpfung gegenüber dem Leid der anderen. Er zeigt aber auch, dass letztlich nur die Mitmenschlichkeit siegen kann und Veränderungen hervorruft.
An manchen Stellen ist es mir schwer gefallen, das Buch zu lesen. Kaum vorstellbar sind die menschenverachtenden Handlungen der Erwachsenen gegenüber den Kindern und auch der Kinder untereinander. Immer geht es um das nackte Überleben. Wenn man sich das nicht jederzeit vor Augen hält, lässt sich die Brutalität dieses Buches nicht verstehen und ertragen.  Unterstrichen wird diese Brutalität durch den knappen sachlichen Erzählstil, der kaum Raum für  Gedanken und Schilderungen lässt.  So wie auch der harte Überlebenskampf keinen Raum für Beobachtungen und Gefühle lässt. Dadurch wirkt das Buch fesselnd und lässt den Leser lange nicht los, wenn man es am Ende zugeschlagen hat. 
Lesbar ab 13 Jahre (UP13)