Donnerstag, 30. Mai 2013

Jürgen Seidel: das Paradies der Täter (cbj 2013)

1. Das Thema des Buches ist zwar im Groben aus den Jugendbüchern der letzten paar Jahre bekannt (Juden in der Zeit des Nationalsozialismus), dennoch ist es aber eine ungewöhnliche Perspektive. Die Handlung spielt in Uruguay und Argentinien, genau in Montevideo, Buenos Aires und La Plata, und da genau in einer deutschen Schule im Jahr 1952. In diese Schule gehen die Kinder der Juden, die dort im Exil leben und die teilweise Furchtbares in der Vergangenheit erlebt haben. Die jüdischen Familien sind nicht mehr vollständig und Erwachsene wie Kinder kämpfen mit den Traumata des Krieges und der Verfolgung und Schlimmerem.

In dieselbe Schule gehen aber auch die Kinder der Nazis, die am Ende des Krieges oder kurz danach über dunkle Schlepperkanäle ebenfalls ins Exil geflüchtet sind. Sie flohen, weil ihnen mit Sicherheit der Prozess gemacht worden wäre, denn sie gehörten zu den Nazischergen und müssen den Tod vieler Millionen Juden verantworten. Zu diesem Kreis gehören Namen wie Mengele, Eichmann u.a. Die Nazifamilien sind meist vollständig und führen in der regel ein gutes Leben, haben Häuer, Fabriken und fühlen meist ganz und gar keine Reue für nichts. Im gegenteil, sie fühlen sich auch hier im Recht.

In dieser Schule, einem Gymnasium,  kommt es natürlich zu unerträglichen Auseinandersetzungen, die „Weißen“ kämpfen gegen die „Kippots“. Waffen, Entführungen, mafiotische Verstrickungen sind an der Tagesordnung. Man erfährt auch einiges über die Rolle Perons und seiner Frau Evita in diesem ganzen Getümmel.

Die Hauptperson Tommi Blume befindet sich in verwirrenden Zeiten. Als 17jähriger ist er alt genug, Entscheidungen zu fällen, gegen seine Nazi-Eltern, für die Gruppe der Juden und im Sinne eines sehr couragierten jüdischen Mädchens…. Er lernt Zivilcourage, viel über Medizin und – die Liebe kennen. Es geht um Gruppendruck, Mut, Feigheit, Verantwortung, Freundschaft, Vorurteile und Wertesysteme. Und das alles in gefährlichen und abenteuerlichen Situationen.

Ich fand dieses Buch gut. Es ruft „die Zeit danach“ in Erinnerung und zeigt, dass das nationalsozialistische Gedankengut sehr wohl an verschiedenen Teilen der Welt „überwintern“ kann. Es zeigt, wie wichtig es ist, hinzuhören, sich zu informieren, etwas zu tun, aufzuklären, Position zu beziehen, auch wenn man jung ist. Die andere Seite von Abenteuer ist eben echte Gefahr. Das Buch ist insgesamt spannend, gegen Ende hin natürlich mehr als am Anfang. Im Mittelteil jedoch braucht man als Leser etwas Geduld, weil es ewig dauert, bis Tommi sich zu einer Entscheidung durchringen kann. Und es gibt sehr viele Handlungsstränge, die man als Leser sehr genau auseinanderhalten muss. Allerdings spiegelt das die undurchsichtige Gemengelage der Denkweisen sicher realistisch wieder. Wer sich für Geschichte und Politik und Südamerika interessiert, muss dieses Buch lesen. (UP13)

2.  Das Buch „Das Paradies der Täter“ von Jürgen Seidel spielt in Südamerika, wo zuerst die Juden vor den Nazis hin flüchteten und später die Nazis selbst.

Tom Blume ist Sohn eines Nazis und mit ihm und seiner Mutter vor kurzem nach La Plata gezogen. Dort geht er auch in die deutsche Schule. In dieser Schule gibt es zwei Gruppen die „Weißen“, die Kinder der Nazis, und die „Kippot“, die jüdischen Kinder. An seinem ersten Schultag hilft er zufällig den Juden, vielleicht auch weil er sich in ein jüdisches Mädchen, namens Walli verliebt.
Hans Blume, Toms Vater ist schwer krank und liegt jetzt meistens in der eisernen Lunge im Krankenhaus. Toms Mutter hingegen möchte dank einer neuen Freundin zum jüdischen Glauben konvertieren. Tom zwar nicht, aber er lernt von Wallis Vater die jüdische Medizin. Selbst noch als Walli von den Nazis entführt wird.

Ein sehr interessantes Buch über das Leben zwischen Nazis und Juden außerhalb von Deutschland. Weiterhin erinnert mich die Liebe zwischen Walli und Tom an Romeo und Julia, da auch die beiden aus verfeindeten „Familien“ stammen. Wegen dieser anspruchsvolleren Hintergründe und da das Buch auch manchmal etwas brutaler oder trauriger wird, empfehle ich es ab 12. (TH10)

Stichwörter: Argentinien, Uruguay, Südamerika, Nationalsozialismus, 50er Jahre, Zivilcourage, Eichmann, Mengele, Exil