Donnerstag, 15. Mai 2014

Marie-Aude Murail: Ein Ort wie dieser (KJB 2014)

1) Text-Inhalt: In diesem Buch für alle geht es vordergründig um eine junge Grundschullehrerin, Cécile. Sie ist sehr schüchtern, versucht aber gleichzeitig, den Kindern mit Liebe und Vertrauen ein behütetes Lernumfeld zu geben. Dass darunter die Disziplin manchmal etwas leidet, können vor allem die älteren, abgearbeiteten Kollegen sowie die Eltern nicht verstehen. Es geht aber auch um eine Einwandererfamilie, die von der Ausweisung bedroht ist, Kinder, die kein Zuhause haben und Kinder, bei denen sich zu Hause niemand um sie kümmert. Alle haben auf ihre Art und Weise ein Schicksal, welches nicht immer leicht ist. Aber sie stehen zusammen und versuchen, für ein wenig mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu kämpfen.

Einschätzung: Marie-Aude Murail beschäftigt sich in ihren Büchern nicht mit den typischen "Helden", sondern mit kleinen, leisen Figuren aus dem Alltag. Dieses Buch hat mir besonders gut gefallen, zeigt es doch, wie viel man bewegen kann, wenn viele an einem Strang ziehen, und dass man nicht immer vor der Obrigkeit "kuschen" muss. Die Entwicklung von Cécile und der Klasse wird sehr gut beschrieben und mir hat gefallen, wie auch einige der anderen Figuren ihre Persönlichkeit entfalten konnten, weil sie ein eigenes Kapitel bekamen. An manchen Stellen ist das Buch traurig, dann wieder lustig. Man muss ein wenig über Céciles Unerfahrenheit und Naivität schmunzeln und wünscht ihr mehr Selbstvertrauen. Gleichzeitig ist es aber beeindruckend, wie sehr sie für die Sache anderer kämpft. Das Buch hat mir sehr gut gefallen und es lässt sich auch gut lesen. Deshalb würde ich es dringend für jeden empfehlen! (JB12)

2) Die Erfolgsautorin hat mit diesem Buch ein weiteres Kapitel des sozialen Lebens in Frankreich hinzugefügt: Der Umgang mit Flüchtlingen. Da das Thema auch in Deutschland aktuell ist, ist es interessant zu lesen, auf welche kreativen Ideen andere Menschen kommen, um Asylsuchenden zu helfen.

Die Großfamilie Baoulé muss aus Afrika fliehen, da sie dort verfolgt wurden und schon Mitglieder ihrer Familie umgebracht wurden. Das Hauptproblem dieser Familie ist die Kinderzahl: 13, und zwei weitere sind unterwegs. Was sich die junge Lehrerin Cécile und ihr Direktor ausdenken, damit die Kinder geschützt werden, wie Aktivisten die Familie vor dem Schlimmsten bewahren, kann der leser auf 400 Seiten erfahren.
Das Thema des Buches hat mir gut gefallen und man erfährt auch sehr viel über das soziale Leben in Frankreich, auch wenn sich dieses nicht unbedingt mit deutschen Verhältnissen vergleichen lässt. Irritiert hat mich der Sprachstil. Entweder liegt es an der Übersetzung oder die Autorin möchte bewusst Akzente setzen, aber die Wortwahl passt oft nicht zu den beschriebenen Personen und mir sind auch zu viele Handlungsstränge gemischt bzw. Motivation für Handlungsweisen überschlagen worden – das gibt dem Buch einen eher unwahrscheinlichen Anstrich. Dennoch lohnt es sich zu lesen und dadurch die eigene Haltung Asylsuchenden gegenüber zu überprüfen. (UP13)

Stichwörter: Frankreich, Paris, Asyl, Elfenbeinküste, Schule